Huawei P40 Pro im Test

Huawei P40 Pro im Test

Huawei-Smartphones aus der P-Serie sind schon seit Jahren als Foto-Asse bekannt. Mit dem neuen Topmodell P40 Pro soll die Konkurrenz wieder in die Schranken gewiesen werden. Die Hardware ist beeindruckend, doch die Software bringt einen großen Stolperstein mit.

Das als Fotowunder beworbene P40 Pro ist Huaweis neues Smartphone-Flaggschiff – und gleichzeitig das erste groß in den Handel kommende Modell der Chinesen ohne Google-Software. Wie gut das P40 Pro ist und was es in der Praxis bedeutet, keinen Zugriff auf Google-Dienste zu haben, haben wir uns im Test angesehen.

Hochwertige Ausstattung

Hardwareseitig ist das neue 40er ein absolutes Spitzengerät. Das Gehäuse ist erstklassig verarbeitet und beeindruckt mit äußerst schmalen Rändern sowie einem zu allen Seiten hin leicht abgerundeten 6,58-Zoll-Bildschirm. Dieser ist zwar nicht so hell wie bei manchem Konkurrenzmodell, bietet aber dennoch eine sehr gute Darstellungsqualität mit satten Farben und hohem Kontrast. Ein weiterer Pluspunkt ist die auf 90 Hz erhöhte Bildwiederholfrequenz, was zu einer überaus flüssigen Darstellung führt.

Die Kameraaussparung auf der Vorderseite ist sehr groß geraten. Neben der Frontkamera ist ein Infrarotsensor verbaut, der die Kamera in erster Linie beim Entsperren unter schlechten Lichtbedingungen unterstützt. Der im Display untergebrachte Finger­abdrucksensor arbeitet flotter als bei allen anderen Modellen, die wir bisher getestet haben. Der Kirin-Prozessor ist nicht ganz so schnell wie Qualcomms aktuelle Top-CPU, in der Praxis ist der Unterschied jedoch irrelevant. Mit 8 GB RAM und üppigen 256 GB Speicher gibt es auch in dieser Hinsicht nichts zu bemängeln. Wie von Huawei gewohnt, ist die Akkulaufzeit gut, aber nicht so hervorragend wie noch beim Vorgänger P30 Pro. Die meisten Nutzer dürften mit täglich rund zwei Stunden Surfen und einigen Telefonaten eineinhalb bis zwei Tage durchkommen. Sollte der Saft knapp werden, lässt sich das P40 Pro in einer Stunde voll auf­laden. Alternativ ist auch kabelloses Laden mit bis zu 27 Watt möglich.
Zu den weiteren Features zählen 5G, schnelles WLAN ax, Bluetooth 5.1, kabelloses Reverse-Charging, ein Infrarot-Port, eSIM-Unterstützung sowie ein Dual-SIM-Slot, bei dem im zweiten Slot alternativ eine NM-Speicherkarte eingesetzt werden kann.

Die neue Kamera-Referenz

Besonderes Augenmerk hat Huawei auf die Kamera gelegt – oder besser gesagt auf insgesamt vier Stück davon. Die Hauptkamera verwendet einen 1/1.28 Zoll großen 50-Mpx-Sensor, der sogar jenen in Samsungs Kamera-Monster Galaxy S20 Ultra übertrifft. Standardmäßig fasst der Sensor vier Pixel zu einem Riesenpixel zusammen, was zu 12,5-Megapixel-Aufnahmen führt. Bei Tageslicht liegen die Fotos auf einem ähnlichen Niveau wie die Aufnahmen anderer aktueller Foto-Flaggschiffe. Im Vergleich zum bisherigen Klassenprimus Galaxy S20 Ultra liegt das Huawei-Phone beim Autofokus vorne. Wo beim Konkurrenten immer wieder Fotos mit nicht genau getroffenem Fokus dabei sind, stellt das P40 Pro fast immer punktgenau scharf. Leichte Schwächen hat es hingegen bei der Farbdarstellung. Vor allem Rottöne tendieren manchmal ins Violette. Wer noch mehr Details einfangen möchte, kann in den 50-Mega­pixel-Modus wechseln. Die Aufnahmen sehen jedoch nur etwas besser aus als mit 12,5 Megapixeln. Hier bietet der 108-Mpx-Modus des Galaxy S20 Ultra mehr Vorteile.

Die Ultraweitwinkelkamera ist ein zweischneidiges Schwert. Detailgrad und Schärfe sind top und der Konkurrenz überlegen, dafür ist die Optik nicht sehr weitwinkelig. Andere Modelle bekommen hier mehr Inhalt aufs Bild. Die Telekamera bietet eine fünffache optische Vergrößerung und liefert hervorragende Ergebnisse. Bei Zwischenzoomstufen kombiniert Huawei, ähnlich wie Samsung, das Bild der Hauptkamera mit jenem der Telekamera. Das Samsung S20 Ultra bildet dabei in der Bildmitte mehr Details ab, dafür sind die Aufnahmen am Rand unschärfer. Huaweis Ergebnisse sind homogener. Welche Aufnahmen man bevorzugt, ist Geschmackssache. So richtig auftrumpfen kann das P40 Pro jedoch bei wenig Licht – und je weniger Licht, desto mehr kann es sich absetzen. Der XXL-Sensor schießt nachts selbst im normalen Modus bessere Fotos als die Konkurrenz im Nachtmodus mit sekundenlanger Belichtung. Kein anderes Mobiltelefon kommt hier an das P40 Pro heran. Die Frontkamera ist ebenso erstklassig, kann aber bei Videos nicht ganz mit den Top-Geräten von Samsung und Apple mithalten. Alles in allem hat das P40 Pro das beste Kamera-Gesamt­paket aller aktuellen Smartphones und übertrifft sogar das Galaxy S20 Ultra – nicht überdeutlich, aber doch.

Eingeschränkte Zielgruppe

Zwar läuft der P-Serien-Neuling mit dem aktuellen Android 10, allerdings findet sich aufgrund des Handelskrieges mit den USA keine einzige Google-Anwendung auf dem Flaggschiff – was im Alltag für zahlreiche Einschränkungen sorgt. Somit bleiben als Zielgruppe praktisch zwei Extreme übrig: einerseits Minimal-Nutzer, die ihre 20 Kontakte auf der SIM-Karte gespeichert haben und bis auf E-Mail und WhatsApp so gut wie keine weiteren Anwendungen verwenden; andererseits Android-Profis und Google-Skeptiker, die ganz genau wissen, wie sie mithilfe von drei alternativen App-Stores an genau die Anwendungen kommen, die sie benötigen, und die sich der Tatsache bewusst sind, dass es für viele Apps und Dienste schlicht keinen adäquaten Ersatz gibt. Für die breite Anwenderschaft ist der Zwangsverzicht auf Google jedoch mit zu vielen Abstrichen verbunden.

Manch einer dürfte auch versuchen, die Google-Software nachzuinstallieren. Im Netz kursieren Anleitungen, die auf dubiose Apps aus China zurückgreifen. Die Methoden sind aber nicht trivial und bringen auch nicht alle fehlenden Funktionen zurück, zudem bergen sie zahlreiche Sicherheitsrisiken.

Fazit: Mit Google-Diensten wäre das P40 Pro ein Anwärter auf den Titel des derzeit besten Android-Smartphones. Das große Highlight ist die Kamera, doch auch die restliche Ausstattung ist erstklassig. Doch was nützt Top-Hardware, wenn die Software nicht wirklich passt? Die fehlenden Google-Dienste stellen für den typischen Smartphone-Nutzer ein nicht kleinzuredendes Problem dar. Eher früher als später wird man auf Apps stoßen, die gar nicht oder nur teilweise funktionieren. In zwölf Monaten mag die Sache anders aussehen, aktuell fehlt aber einfach zu viel. Da heißt es dann schnell: „Ich habe ein Huawei, das funktioniert bei mir nicht.“ Wer damit klarkommt und weiß, worauf er sich einlässt, bekommt mit dem P40 Pro ein absolutes Spitzen­gerät. Für alle anderen gilt: Besser abwarten, bis Huaweis AppGallery deutlich mehr zu bieten hat, oder auf ein Smartphone mit Google-Diensten ausweichen. Daher auch nur dreieinhalb von fünf möglichen Punkten.

Huawei P40 Pro

➜ 6,58"-OLED-Display (2.640 x 1.200 P.)
➜ Android 10, 5G, WLAN ax, BT 5.1
➜ 8 GB RAM, 256 GB Speicher, NM-Card
➜ CPU: Kirin 990 5G (max. 2,86 GHz)
➜ Kameras: 50/40/12 Mpx & 32 Mpx
➜ USB Typ C, Infrarot-Port, Qi, IP68
➜ 158,2 x 72,6 x 8,5 mm, 209 g
➜ Preis: ca. € 990,–

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